Valeri Scherstjanoi
SCRIBENTISCHE COLLAGEN
July 13 - 27, 2013
Opening Reception & Performance by Scherstjanoi:
Saturday, July 13, 6-9pm
Valeri Scherstjanoi, born 1950 in the Gulag, grew up in Krasnodar in the south of the present-day Russian Federation. He is a sound-poet, performer, and graphic artist since 1968. He is the author of a number of poetry-books and has been writing theoretical texts (his own poetic theory and the practice of Ars Scribendi) as well as articles and books on the history of Russian Futurism in magazines, collections, and anthologies. He lives and works in Berlin. This exhibition shows 20 collages which mutated from 1988 to 2013.
"die mittlerweile dritte ausstellung des russischen lautdichters, schriftstellers und visuellen poeten valeri scherstjanoi in diesen räumen beschäftigt sich mit seinen collagen die zwischen 2011 und 2013 in ihren hier gezeigten zustand gebracht wurden, aber auf grafiken und zeichen basieren, die zum teil bis ins jahr 1988 zurückgehen. sie sind ‘work in progress’. und auch diese arbeiten werden wohl, sofern ihn niemand durch kauf oder knebel daran hindert, von scherstjanoi wieder zerstört und neu zusammengesetzt bzw. mit versatzstücken zukünftiger arbeiten kombiniert und konfrontiert werden.
scherstjanoi interessiert nur das machen und nicht der für andere befriedigende moment des fertigseins mit einer arbeit. destruktion und dekonstruktion sind philosophischer ansatz und konkretes mittel. alle früheren arbeiten werden immer nur als grundstock der gegenwärtigen praxis und nicht als teil einer vollendeten künstlerischen vergangenheit behandelt. ein sogenanntes frühwerk gibt es somit nur für andere, nicht für scherstjanoi selbst. für ihn gibt es keine vergangenheit, nur vergangene gegenwarten, deren resultate er nach und nach in die praxis seiner jetztzeit überführt, mit ihr kombiniert, in ihr auflöst, von ihr überprüfen, argwöhnisch beäugen und zersetzen lässt. scherstjanoi ist ein zeitgenosse.
gegenstand seiner betrachtung ist aber nicht nur die eigene künstlerische arbeit oder der berg an kunst und philosophie von wladimir majakowski bis carlfriedrich claus, sondern auch sein ganz persönlicher und familiärer werdegang: die geburt im gulag 1950, die kindheit und jugend in krasnodar, die soldatenzeit in der mittlerweile von ihm so verhassten sowjetunion, die flucht in die ddr.
stalins stiefel, lenins schuhe, der praktische russische holzlöffel (mit dem die suppe so viel schneller gegessen werden konnte da er nicht heiss wurde), sowie die damals von ihm so begehrten beine einer mitschülerin tauchen als versatzstücke auf. gerade letztere lassen hoffen, dass für scherstjanoi früher nicht alles schlecht war."
daniel löwenbrück, juli 2013
(excerpt of Scherstjanoi's performance at the opening)